Die Vermessung des Tierwohls

Tierwohl oder Animal Welfare ist ein Schlagwort, das man derzeit von allen Seiten hört. Selbst aus Haltungssystemen, die in der öffentlichen Wahrnehmung nicht direkt mit Tierwohl verknüpft werden. Oftmals bleiben im grellen Schein der publikumswirksamen Debatte die kleinen, entscheidenden Fortschritte unbemerkt. Wir wollen heute einen Blick hinter die Schlagzeilen werfen und zeigen, was sich in den letzten Jahren bereits zum Positiven verändert hat und wie Landwirtschaft und Industrie gemeinsam das Tierwohl in den Blick nehmen können.

Neben gesetzlichen Richtlinien für tierwohlfördernde Haltungsbedingungen wie Besatzdichte oder Nutzfläche pro Tier setzen Tierhalter heute schon eigene Maßstäbe, um Gesundheit und Tierwohl zu messen. Hier bieten sich auf den ersten Blick greifbare Messgrößen an wie etwa die Anzahl der Tierverluste, Umfang und Art des Arzneimitteleinsatzes, Futter- und Wasserverbrauch der Tiere sowie Körpergewicht und Uniformität. Im Geflügelbereich, wie beispielsweise bei Masthühnern oder Puten, gibt die Beurteilung im Schlachthof hinsichtlich Veränderungen der Haut und Fersenhöcker, der Qualität der Fußballen sowie dem Auftreten von Brustblasen wichtige Rückschlüsse auf Zustand, Haltung und Ernährung der Tiere.

Messgrößen sind das eine. Zur nachhaltigen Verbesserung des Tierwohls braucht es die Entscheidung zum Handeln. Veränderungen und Entzündungen der Fußballen zum Beispiel stehen in direktem Zusammenhang mit der Qualität und dem Trockensubstanzgehalt der Einstreu. Diese hängt jedoch nicht nur von den verwendeten Materialien und witterungsbedingten Einflüssen ab. Ein gesunder Magen-Darm-Trakt und eine gute Futterverwertung sind ebenfalls wichtige Voraussetzungen. Auch hier leisten innovative Produktentwicklungen bereits gute Dienste. Phytogene Futterzusätze etwa haben in Versuchen gezeigt, dass sie die Darmgesundheit fördern und so zu einer verbesserten Futterverwertung, festerer Kotkonsistenz und höherer Einstreuqualität beitragen können. In der Folge verbessern sich unter anderem die Fußballengesundheit und der Gesamtzustand der Tiere deutlich.

Messzahlen und Kennziffern alleine können jedoch niemals das gesamte Bild vermitteln. Zentral ist und bleibt die ständige persönliche Beurteilung des Bestandes. Wie verhalten sich die Tiere, wie verschmutzt sind sie, wie ist der Zustand von Haut oder Gefieder – um solche Beobachtungen durchführen und bewerten zu können, braucht es Personal mit der nötigen Sachkenntnis und der Möglichkeit, sie anzuwenden.

Für die gemeinsame Arbeit zur Verbesserung des Tierwohls sollten wir künftig noch stärker sämtliche uns zur Verfügung stehenden Parameter und ihre Auswertung nutzen und gleichzeitig die Beobachtung der Tiere stärker als bisher in den Vordergrund stellen. So können wir schneller reagieren und erhalten Hand in Hand eine Verbesserung von Tierwohl und Leistung.

 

Zum Weiterlesen und -schauen:

DGS Magazin (9/2018, 48/2017) und für mehr Informationen die KTBL-Broschüre „Tierschutzindikatoren: Leitfaden für die Praxis – Geflügel“ (2016), »Improve poultry welfare with outcome-based standards«, in: Poultry International 2.2018, WATTAgNet.comarticles/28377, auf: http://www.poultryinternational-digital.com/201802/index.php?startid=18#/22.

Dr. Hadden Graham: “Understanding dietary fibre to help boost the digestion of animal feed” (Video, englisch, 11:50 min) https://youtu.be/cR1JRwJuwCk