»Haltungsform«-Label: Handel prescht vor

Das staatliche Tierwohllabel kommt – bald. Anfang 2020 soll es eingeführt werden. Nun ist der Einzelhandel der Bundeslandwirtschaftsministerin zuvorgekommen. Am 1. April startete eine gemeinsame Haltungskennzeichnung. Viel geändert hat sich damit allerdings nicht. Supermarktketten und Discounter haben sich lediglich darauf geeinigt, ein gemeinsames Logo zu verwenden. Schon 2018 hatte Lidl eine Haltungskennzeichnung für Geflügel-, Rind und Schweinefleisch eingeführt – damals noch unter dem Namen »Haltungskompass«. Die übrigen Ketten zogen schrittweise nach, mit identischen Systemen unter anderen Bezeichnungen nach. Nun hat man sich offenbar auf einen gemeinsamen Auftritt verständigt. Das neue Handelslabel trägt den simplen Namen »Haltungsform« und ist in vier Stufen unterteilt: 1. Stallhaltung, 2. Stallhaltung Plus, 3. Außenklima und 4. Premium. Während Stufe 1 in den Anforderungen dem gesetzlichen Standard entspricht, müssen für die Premiumstufe die Vorgaben des Biosiegels erfüllt werden.

Greift diese Kennzeichnung dem staatlichen Label tatsächlich vor? Vom BMEL kam bereits Kritik an diesem Schritt. Schließlich, so Ministerin Klöckner, soll das Bundestierwohllabel weitaus höhere und weitreichendere Anforderungen stellen. Das Handelslabel sei dagegen letztlich nur ein Sortiersystem für bestehende Kennzeichnungen. Die Kritik ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Tatsächlich gibt es für die »Haltungsform«-Auszeichnung keinen eigenen Forderungskatalog, sondern bedient sich aus bestehenden Systemen. Die einzelnen Stufen der Haltungskennzeichnung entsprechen Vorgaben und Anforderungen anderer Label. Verwaltet wird das Haltungsform-Label von der Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung, die auch für die Initiative Tierwohl verantwortlich ist. Eigene Kontrolleure, die über die Einhaltung der Anforderungen für die verschiedenen Stufen wachen, hat die Gesellschaft nicht.

Offen bleibt bislang auch, welche der Stufen sich tatsächlich in den Kühlregalen der Märkte wiederfinden werden. Wenn der Verbraucher im Kühlregal am Ende doch nur zwischen Stufe 1 (gesetzlicher Mindeststandard ohne weitere Maßnahmen zur Tierwohlverbesserung) und Stufe 2 (entspricht den Vorgaben der Initiative Tierwohl und liegt damit deutlich unter den Anforderungen der verschiedenen Biosiegel oder des Deutschen Tierschutzbundes) wählen kann, ist es mit einer bewussten Kaufentscheidung für mehr Tierwohl nicht weit her.

Offenbar muss man den Namen Haltungskennzeichnung wörtlich sehen – ein echtes Tierwohllabel ist es jedenfalls nicht. Die Haltung beeinflusst zwar das Wohl der Tiere, aber tut dies nicht alleine. Für das Tierwohl spielen viele Faktoren eine Rolle. Auch die Fütterung, insbesondere die richtigen Futterzusätze, kann einen positiven Effekt auf das Tierwohl ausüben.

Anfang 2020 wird das staatliche Tierwohllabel seinen Weg in die Kühlregale finden. Die Frage wird dann sein: Bringt das dann mehr Tierwohl in die Supermärkte? Und welchem Label werden die Verbraucher am Ende mehr vertrauen? Wir dürfen gespannt sein.